Klauseln in partiarischen Darlehen können unwirksam sein – Rückabwicklungsanspruch durch OLG Brandenburg, Urt. v. 23.12.2021, Az.: 7 U 113/21, bestätigt.


Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Das OLG Brandenburg hatte mit Urteil vom 23.12.2021, Az.: 7 U 113/21, über eine sog. Nachrangklausel in einem partiarischen Darlehen zu entscheiden.

Was ist ein partiarisches Darlehen?

Ein partiarisches Darlehen ist eine Form der Beteiligungsfinanzierung in Gestalt eines Darlehens im Sinne von § 488 BGB. Als Entgelt für die Überlassung des Darlehens wird ein Anteil am Gewinn oder Umsatz eines Unternehmens oder eines Geschäfts, zu dessen Zweck das Darlehen gewährt wurde, vereinbart. Darüber hinaus ist es zwar möglich, einen Zinssatz zu vereinbaren, die Gewinnbeteiligung muss jedoch im Vordergrund stehen.

Von einem partiarischen Darlehen ist zwingend die typisch stille Beteiligung zu unterscheiden, welche eine ähnliche Konstellation vorsieht. Im Unterschied zur stillen Beteiligung verlangt eine Qualifikation als (partiarisches) Darlehen zwingend die Pflicht zur vollen Kapitalrückzahlung. So ist der Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, bei Fälligkeit den zur Verfügung gestellten Geldbetrag zurückzuzahlen. Es fehlt an der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung. Demzufolge ist bei einem (partiarischen) Darlehen eine Beteiligung am Verlust nicht möglich. Wird demnach eine Verlustbeteiligung vereinbart, so kann ein partiarisches Darlehen nicht vorliegen.

Was ist eine Nachrangklausel?

Eine Nachrangklausel in den AGB eines partiarischen Darlehen sieht vor, dass der Darlehensgeber (mithin der Privatanleger) im Falle der Liquidation oder Insolvenz des Darlehensnehmers (mithin des Unternehmens) im Rang hinter anderer Forderungen gegen das Unternehmen zurücktreten.

Was bedeutet das genau?

Im Falle einer Insolvenz gibt es grundsätzlich verschiedene Klassen an Gläubigern, die unterschiedlich behandelt werden. Die „normalen“ Insolvenzgläubiger werden in § 38 InsO geregelt. Diese haben einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner.

§ 39 InsO hingegen regelt die nachrangige Insolvenzgläubiger. Diese werden erst im Rang nach den § 38 InsO-Gläubigern befriedigt, mithin nur für den Fall, dass tatsächlich noch etwa von der Insolvenzmasse übrig bleibt.

Dass dies nachteilig sein dürfte, leuchtet ein.

Üblicherweise enthalten sowohl partiarischen Darlehen als auch andere Formen von Vermögensanlagen, wie etwa Genussrechte, derartige Nachrangklauseln standardisiert und vorformuliert in den AGB.

Was hat es nun mit der Entscheidung des OLG Brandenburg, Urt. v. 23.12.2021 – 7 U 113/21, auf sich?

Das OLG Brandenburg hat zunächst bestätigt, dass eine solche Klausel, die vorformuliert in den AGB enthalten ist, überraschend sein kann.

Desweiteren hat das OLG Brandenburg festgestellt, dass ein Unternehmen, welches eine unwirksame Nachrangklausel verwendet, und sich verpflichtet, von Anfang an das Darlehen unbedingt zurückzuzahlen, fremde Gelder entgegennimmt. Hierfür ist allerdings die Erlaubnis der BaFin (Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen) erforderlich, welche das Unternehmen hier nicht einholte (sog. Einlagengeschäft).

Die Entgegennahme von fremden Geldern ohne Erlaubnis stellt aber einen Pflichtwidrigkeit gem. §§ 54, 32 KWG dar. Hieraus kann ein Privatanleger einen Schadensersatzanspruch gegen das Unternehmen geltend machen und auf diese Weise seine gesamte Kapitalanlage (abzüglich etwaiger Zinsen und/oder Gewinne) zurückfordern.

Das OLG Brandenburg stellt folgendes fest: 

Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages andererseits (BGH, Urt. v. 18.5.1995 – BGH Aktenzeichen IXZR10894 IX ZR 108/94, BGHZ 130, BGHZ Band 130 Seite 19, BGHZ Band 130 25; Urt. v. 21.6.2001 – BGH Aktenzeichen IXZR6900 IX ZR 69/00, WM 2001, WM Jahr 2001 Seite 1520, WM Jahr 2001 1521?f;

Die Vereinbarung eines Rangrücktritts im Sinne von § INSO § 39 Abs. INSO § 39 Absatz 2 InsO kann eine objektiv ungewöhnliche Klausel sein, da sie dazu führt, dass der Gläubiger im Insolvenzfall im vereinbarten Rang hinter andere Gläubiger zurücktritt. Sie nähert die Finanzierungsleistung des Dritten wirtschaftlich den Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens an, ohne dass den Dritten demgegenüber die Finanzierungsfolgenverantwortung eines Gesellschafters trifft oder er die Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2014 – BGH Aktenzeichen IXZR13713 IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, NJW-RR Jahr 2014 Seite 937 Rn NJW-RR Jahr 2014 Seite 937 Randnummer 14).

39Die Begleitumstände des Vertragsabschlusses führen hier dazu, dass die Vereinbarung des qualifizierten Rangrücktritts für den Anleger überraschend ist. Der Zeichnungsschein als Vertragsurkunde enthält keine Hinweise auf Risiken der Darlehenshingabe (Anl K2A Bl. 34). Der Emissionsprospekt hebt auf seinem Deckblatt hervor, dass „kein Kursrisiko“ bestehe. Die „Unternehmensdarstellung“ (Anl K3, S. 5?ff., Bl. 39) führt keine Risiken auf, sie hebt die aufgrund der Gesellschaftsform der … bestehende „unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung der …-Mitglieder“ als „zusätzliches Plus für Ihre Einlage“ hervor. Der Abschnitt über „Investitionschancen“ (Anl K3, S. 12?ff, Bl. 46) wird wiederum mit dem Hinweis „kein Kursrisiko“ eingeleitet und führt sodann die Höhe der Zinszahlungen auf, die als sicher in Aussicht gestellt werden: (…)

(…)

4. Zudem ist die Nachrangklausel in Nr. 12 der Zeichnungsbedingungen aber auch gemessen an dem in § BGB § 307 Abs. BGB § 307 Absatz 1 S. 2 BGB vorgesehenen Transparenzgebot unwirksam.

43Nach § BGB § 307 Abs. BGB § 307 Absatz 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird (BGH, Urt. v. 26.9.2007 – BGH Aktenzeichen VIIIZR14306 VIII ZR 143/06, NJW 2007, NJW Jahr 2007 Seite 3632 Rn. NJW Jahr 2007 Seite 3632 Randnummer 31; Urt. v. 22.3.2018 – BGH Aktenzeichen IXZR9917 IX ZR 99/17, ZIP 2018, ZIP Jahr 2018 Seite 882 Rn. ZIP Jahr 2018 Seite 882 Randnummer 34). Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten (BGH, Urt. v. 6.12.2018 – BGH Aktenzeichen IXZR14317 IX ZR 143/17, Rn BGH Aktenzeichen IXZR14317 2018-12-06 Randnummer 35).

44Intransparent ist Nr. 12 der Zeichnungsbedingungen, da darin aufgeführt wird: „Die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung oder Zinsen ist solange und soweit ausgeschlossen, als sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Das bedeutet für den Zeichner, dass sein Anspruch auf Rückzahlung der Zeichnungssumme oder der Zinsen schon dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet.“

45Der – nicht insolvenzrechtlich gebildete – Vertragspartner erhält weder eine Erläuterung, was Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind, noch ist der Begriff der Gesellschaft in der „Krise“ näher bestimmt.

46Die weitere Erläuterung, – „Die Ansprüche des Zeichners können nur dann erfüllt werden, wenn die liquiden Mittel und das weitere Aktivvermögen der Gesellschaft zur Begleichung auch aller weiteren gegen die Gesellschaft bestehenden Forderungen ausreicht, -“ stellt keine zutreffende und verständliche Darstellung des Fehlens von Insolvenzgründen (§§ INSO § 17INSO § 19 InsO) dar, da einerseits nicht nach der Fälligkeit der Forderungen differenziert wird, andererseits aber neben den liquiden Mitteln auch „das weitere Aktivvermögen“ der Gesellschaft zu berücksichtigen sein soll, ohne dass ersichtlich ist, welches Vermögen in die Prüfung der Frage, ob das Vermögen zur Begleichung der Forderungen ausreicht, einbezogen werden soll.

47Schließlich stellt die Regelung „Sollte die Gesellschaft in Insolvenz geraten, treten die Rückzahlungsansprüche der Zeichner für den Fall, dass die Gesellschaft auf der Basis eines Insolvenzplans reorganisiert wird, entsprechend der oben genannten Regelung zurück, bis die Krise überwunden ist“ nicht dar, was im – häufigeren – Fall der Durchführung des Insolvenzverfahrens ohne Insolvenzplan und ohne Überwindung der Krise für die Anleger gilt.

Im Ergebnis bedeutet das:

Nachrangklauseln sind zwar grundsätzlich gegenüber Privatanlegern erlaubt. Sie müssen allerdings wirksam einbezogen werden, was nur durch eine inhaltlich transparente und deutliche Erklärung möglich ist.  Wurde sie hingegen nicht wirksam einbezogen, kann ein unwirksames Einlagengeschäft vorliegen, welches zu einem Schadensersatzanspruch des Privatanlegers führt.


Bei Rückfragen steht Ihnen Frau Rechtsanwältin Handan Kes, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, gerne zur Verfügung.

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