Es kommt nicht selten vor, dass ein Privatanleger bei ein und demselben Anlagevermittler sowohl Versicherungsprodukte als auch Kapitalanlagen zur Altersvorsorge abschließt. Es kommt ferner nicht selten vor, dass sich eine solche rechtliche Beziehung über mehrere Jahrzehnte erstreckt.
Wenn ein Privatanleger im Laufe dieser Rechtsbeziehung hier und da von dem Anlagevermittler Informationen für weitere Anlageentscheidungen erhält, und der Privatanleger diese Anlage abschließt, stellt sich Jahre später die Frage, wer für die Schieflage der Anlage nunmehr haftet. Hat der Vermittler den Privatanleger beraten und ihm diese Anlage „vermittelt“ oder lag nur eine Informationsweitergabe ohne Haftungsfolgen zugrunde?
Der BGH hatte mit Urteil vom 21.11.2019, Az.: III ZR 244/18, (NJW 2020, 387) über einen solchen Fall zu entscheiden.
Die maßgeblichen Leitsätze lauten:
„28 Danach ist der Schutzzweck einer Auskunfts- oder Beratungspflicht, entgegen dem vom BerGer. aufgestellten abstrakten Rechtssatz, nicht stets auf den ersten Erwerb einer Anlage nach dem Gespräch, in dem die Empfehlung ausgesprochen worden ist, begrenzt.
Vielmehr ist der Schutzzweck anhand des konkreten Vertrags im Wege der Auslegung (vgl. Rabel, 452 f.; Lange JZ 1976, 198 [202]) im Einzelfall zu ermitteln.
Zwar bestehen im Normalfall einer Anlageberatung, die sich auf die Anlage eines Geldbetrags bezieht, Pflichten nur hinsichtlich dieser konkreten Anlageentscheidung (vgl. BGHZ 205, 117 [127] = NJW 2015, 2248 Rn. 23).
Es steht den Vertragsparteien jedoch frei, auch größere oder unbestimmte Risiken einzugehen. Insofern kann der Schutzzweck sogar haftungserweiternd wirken (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2017, § 249 Rn. 27 f.).
Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Interessent um einen Rat für die Anlage nicht lediglich eines (bestimmten) Geldbetrags nachsucht und der Berater in Kenntnis dessen eine Empfehlung abgibt, die sich nicht auf eine einmalige Geldanlage beschränkt, sondern eine fortbestehende Möglichkeit zur wiederholten Anlage noch unbestimmter Geldbeträge umfasst.“
In der Vergangenheit haben viele Gerichte eine Haftung von Anlagevermittlern ausgeschlossen, weil eine „Beratung“ Jahre später nicht mehr stattgefunden habe.
In den P&R Container-Fällen etwa, bei welchen Vermittler immer wieder zur Zeichnung von Verträgen anrieten, ohne jedes Mal ausführlich beraten zu haben, wurden die meisten Klagen von Privatanlegern zurückgewiesen.
Diese neue Entscheidung des BGH ist für Privatanleger umso wichtiger, als dass nunmehr auch die Wiederanlage in dasselbe Produkt unter den Schutzzweck einer Auskunfts- und Beratungspflicht fällt und eine Haftung des Vermittlers in Betracht kommt. Es ist stets der Einzelfall zu betrachten.
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