Kreditinstitute geben die Negativzinsen der EZB, welche seit 2014 im Euroraum eingeführt wurden, an die Endkunden weiter.
Auch die Bafin konnte die Einführung von Negativzinsen nicht verhindern. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom Urteil vom 24.06.2021, Az: 7 K 2237/20.F, eine Untersagungsverfügung der BaFin aufgehoben. Die Finanzaufsicht hatte einer klagenden Bank zuvor untersagt, Negativzinsen auf „Cash-Konten“ bei ihren Bestandskunden zu erheben. Die Bafin kann grundsätzlich bei einem Missstand, der die Belange des Verbraucherschutzes betrifft, gem. § 4 Abs. 1a S. 2 FinDAG, einschreiten.
Das Verwaltungsgericht (a.a.O.) hat aber eine generelle Klärung durch die BaFin im Sinne des Verbraucherschutzes verneint. Das Gericht geht davon aus, dass verbraucherschutzrelevante Fragen traditionsgemäß vorrangig vor den Zivilgerichten im ordentlichen Rechtsweg abgehandelt werden, und die BaFin
nur dann aufsichtsrechtlich agieren darf, wenn gerade eine generelle Klärung durch sie geboten erscheine. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn nicht schon im ordentlichen Rechtsweg den Belangen des Verbraucherschutzes in hinreichender Weise genüge getan werde.
Viele Kunden, aber auch die Verbraucherzentrale, ziehen daher individuell vor Gericht und klagen ihre Rechte ein.
1. LG Tübingen
Das Landgericht Tübingen (4. Zivilkammer), hatte mit Teilanerkenntnisurteil vom 25.05.2018 – 4 O 225/17, entschieden, dass die Erhebung von Negativzinsen im Wege eines Preisaushangs bei Einlagen auf einem Girokonto, für welches auch Kontoführungsgebühren erhoben werden, zu einer unangemessenen Benachteiligung von Bankkunden führt und daher gem. § BGB § 307 BGB § 307 Absatz II Nr. BGB § 307 Absatz 2 Nummer 1, BGB § 307 Absatz I 1 BGB unzulässig ist.
Das Gericht begründet seine Entscheidung wie folgt:
Im Ergebnis hätten Kunden der Beklagten für eine Leistung – nämlich die Verwahrung des Guthabens auf dem Girokonto – eine doppelte Gegenleistung zu erbringen, nämlich neben der Kontoführungsgebühr zusätzlich ein Entgelt in Form einer Negativverzinsung. Sowohl die Kontoführungsgebühr als auch die negative Verzinsung sollen den Aufwand bezogen auf die Verwaltung vergüten als auch einen Gewinn auf Seiten des Kreditinstitutes erzielen. Eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte (Sonder-) Leistung der Bank steht der Negativverzinsung, wie schon dargelegt worden ist, gerade nicht gegenüber. Aus diesem Grund handelt es sich um eine doppelte Bepreisung einer identischen Leistung, die den Kunden unangemessen benachteiligt und daher unzulässig ist (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 15.05.1996 – OLG Hamburg, Aktenzeichen 5 U 24695 5 U 246/95, NJW 1996, NJW Jahr 1996 Seite 1902).
2. LG Leipzig
Das Landgericht Leipzig Urt. v. 8.7.2021 , Az.: 05 O 640/20, hat entschieden, dass Verwahrentgelte im Neugeschäft im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zulässig sind.
Das Landgericht Leipzig führt aus:
1. Unter Berücksichtigung des dispositiven Charakters der Vorschriften zur unregelmäßigen Verwahrung iSd § BGB § 700 BGB ist es den Parteien im Rahmen der Privatautonomie unbenommen, eine vom gesetzlichen Leitbild des Darlehensrechts (über § BGB § 700 Abs. BGB § 700 Absatz 1 S. 1 BGB) abweichende Vertragsgestaltung zu vereinbaren und eine Verwahr- oder Einlagegebühr zu erheben.
Das Urteil wurde im Berufungsverfahren durch das OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 18.1.2022 – 8 U 1389/21, bestätigt.
3. LG Berlin
Das Landgericht Berlin, Urt. v. 28.10.2021 – 16 O 43/21, hatte ebenfalls über Verwahrentgelte zu entscheiden. Die Entscheidung ist dabei höchst umstritten. Das Landgericht hatte sowohl die Unterlassung der verwendeten Klausel als auch die Rückzahlung erhaltener Verwahrentgelte an die jeweiligen Kunden angeordnet.
4. Position der Bundesregierung und Verbraucherzentralen
Auch die Bundesregierung davon aus, dass Verwahrentgelte vereinbart werden können, (BT-Drs. 19/32015).
Selbst der klagende VZBV ging noch in seinem Positionspapier „Negative Einlagezinsen für Verbraucher“ aus dem Jahr 2015 von deren Zulässigkeit in Neuverträgen aus, bei Bestandsverträgen wendete er sich iE (nur) gegen eine „einseitige“ Einführung.
5. Ergebnis
Im Ergebnis lässt sich festhalten:
Es ist zwischen Neuverträgen und Bestandsverträgen zu unterscheiden.
Bei Neukundengeschäften akzeptiert der Kunden die AGB von Anfang an. Diese Akzeptanz betrifft auch die Preisbareden in der jeweils aktuellen Fassung. Im Rahmen der Privatautonomie ist das grundsätzlich zulässig.
Bei Bestandskunden dürfte die einseitige Einführung unwirksam sein. Seit der Entscheidung des BGH, Az.: XI ZR 26/20, nach welcher die einseitige Änderung und Anpassung von Bankgebühren in AGB unzulässig ist, dürften nahezu alle Kunden inzwischen die Aufforderung erhalten haben, den AGB zuzustimmen. Nach deren Zustimmung und Einführung in den jeweils geltenden Vertrag wurden also auch die Preisabreden eingeführt.